Als Märtyrer sterben…


Kreshnik B. muss sich als erster IS-Kämpfer in Deutschland vor Gericht verantworten. Er hofft auf eine milde Strafe. Vor den Richtern aber redet er sich um Kopf und Kragen.

Am Ende wird der Richter etwas ungemütlich „Jetzt mal ein bisschen Butter bei die Fische!“, sagt er und blickt streng über den Rand seiner Brille zu Kreshnik B. auf der Anklagebank. „Sonst kommen wir noch auf die Idee, dass Sie vom IS als Märtyrer nach Deutschland geschickt wurden, hier zunächst als Schläfer leben und dann Anschläge machen sollen.“ „Das habe ich nicht vor“, sagt Kreshnik B. leise.

Der Prozess gegen Kreshnik B. vor dem Oberlandesgericht Frankfurt ist der erste Prozess in Deutschland gegen einen mutmaßlichen IS-Kämpfer. Im Juli 2013 ist der heute 20-jährige Mann aus Hessen nach Syrien gereist, um für die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) zu kämpfen. Im Dezember 2013 kehrte er zurück nach Deutschland, noch am Flughafen wurde er festgenommen. Seither sitzt er in Untersuchungshaft.

Der 20-Jährige ist wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung angeklagt. Bis zu zehn Jahre Gefängnis sieht das Gesetz dafür vor. Doch das Gericht hat B. eine milde Gefängnisstrafe von maximal vier Jahren und drei Monaten in Aussicht gestellt, wenn er erzählt, warum er zum Dschihadisten wurde. Der Staatsschutzsenat meint es gut mit Kreshnik B. Aber B. macht es den Richtern alles andere als leicht. An diesem vierten Verhandlungstag redet er sich um Kopf und Kragen.

Am vorherigen Verhandlungstag hatte Kreshniks Verteidiger  bereits eine Erklärung in seinem Namen verlesen. An diesem Donnerstag nun muss Kreshnik dem Gericht selbst Rede und Antwort stehen. Doch was Kreshnik B. sagt, führt zu mehr Fragen als Antworten.

Kreshnik B. ist in Bad Homburg geboren und in Frankfurt aufgewachsen. Seine Eltern stammen aus dem Kosovo. Religiös aufgewachsen sei er nicht. Er habe „ab und zu gefastet“, nicht gebetet und sei nur selten in eine Moschee gegangen, sagt er vor Gericht. Auch seine Eltern seien nicht religiös. Er habe eine „ganz normale Kindheit“ gehabt, sagt er. Erst auf der Berufsschule habe er begonnen, sich für den Islam zu interessieren. Da war er 16 oder 17 Jahre alt. Wie es dazu kam, bleibt unklar. Hat ihn jemand überzeugt? „Man redet mit Leuten“, sagt Kreshnik B. vage. Der Richter hakt nach. B.: „Ich will keine Namen nennen.“ Mehrfach sagt er, dass es sein eigener Entschluss gewesen sei, in Syrien zu kämpfen, gegen das Assad-Regime.

Woher habe B. gewusst, wo und wie er über die türkische Grenze kommt und wie es dann weitergeht? Kreshnik B. sagt nur, dass er zusammen mit sechs anderen gereist sei. Einer von ihnen habe „Kontakte“ gehabt. Konkreter wird er nicht. In Istanbul seien sie abholt worden. Von wem? Er sagt es nicht.

B. ist kein Mann langer Erklärungen. Seine Sätze sind ungeordnet, arm an Details, zum Teil wirr. Und manchmal kommen Sätze aus seinem Mund, die Zweifel wecken, dass er dem bewaffneten Kampf wirklich abgeschworen hat. Das Gericht hält ihn Chatprotokolle vor. Darin schreibt B. von Bekannten, die „sich gesprengt hätten“. Richter: „Das hört sich nach Selbstmordattentat an.“ B.: „Nein, nein.“ Er sagt, es sei um jemanden gegangen, der „im Kampf gefallen“ sei. Ob er da traurig gewesen sei, fragt der Richter. Und dann wird es heikel.

„Wenn er als Märtyrer gefallen ist, warum soll ich denn dann trauern?“, fragt Kreshnik B. Dann sagt er: „Ich wünsche es mir.“ „Sie wünschen sich immer noch, als Märtyrer zu sterben?“ „Ja“, sagt Kreshnik B. Er sagt es dermaßen unbedarft, dass unklar bleibt, was er damit wirklich meint. Sein Verteidiger  ist bemüht, „Missverständnisse“ aufzuklären. Er sagt: Nach Ansicht seines Mandanten gebe es verschiedene Stufen des Märtyrertums. Und das auch ein Bundeswehrsoldat, der im Kampf gegen einen Feind fiele, nach Kreshnik B.s Verständnis ein Märtyrer sei.

Doch es wird kaum besser. Nähere Angaben zu dem Treueeid, den er in Syrien geschworen hat, will er nicht machen. Auch nicht, wie es zu seiner Rückkehr kam. Es ist der Moment, in dem der Richter ungehalten wird.

Am Anfang seiner Reise sei er am Sturmgewehr ausgebildet worden, sagt Kreshnik B., doch er beteuert: „Ich habe nicht gekämpft. Ich habe nicht auf Leute geschossen.“ Er habe zwar an drei Kämpfen teilgenommen, aber immer ganz hinten gestanden. Dass er seiner Schwester was anderes geschrieben hat, erklärt er so: „Ich wollte ein bisschen den Helden spielen.“

Das Gericht konfrontiert ihn mit weiteren Chatprotokollen, in denen er über Selbstmordanschlägen in Deutschland schreibt. Die Loveparade wird erwähnt und ein Marathon. „Da habe ich Spaß gemacht“, sagt Kreshnik B. nun. Noch im November 2013, kurz vor seiner Rückkehr, schreibt B. seiner Schwester, er wolle „Sniper“ werden. „Ja, Scharfschütze“, gibt er offenherzig zu. Warum? „Scharfschützen sind sehr effektiv“, sagt er.

Eben noch Scharfschütze werden wollen und dann plötzlich geläutert nach Deutschland zurückkehren? Wie passt das zusammen? B. sagt, er habe „keinen Sinn“ mehr in den Kämpfen gesehen, als verschiedene islamistische Gruppen begonnen hätten, sich gegenseitig zu bekämpfen. „Ich will nicht gegen Muslime kämpfen, die sich gegen das Assad-Regime stellen“, sagt er.

Das Gericht hat Zweifel und ändert spontan das Beweisprogramm. Es will nun doch noch Kreshnik B.s Schwester hören. Sie soll an diesem Freitag als Zeugin gehört werden. „Sie sind damit einverstanden, Herr B.“, fragt Richter. „Na ja“, sagt Kreshnik B.

Kreshnik B. wurde im Dezember 2013 festgenommen.

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